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Türkei: Eine Vision für die innovative Tageszeitung wird Realität

Fatih Altayli, Chefredakteur von Haberturk und einer der geistigen Väter des Mammut-Projekts: „Wir wollen uns mit einem neuen Zeitungstyp klar abheben.“

Samstag 03. Oktober 2009 - Am 1. März 2009, nur 13 Monate nach der Bestellung hochmoderner Druck- und Versandraumtechnik bei Koenig & Bauer und Ferag durch die türkische Druckerei- und Verlagsgruppe Haberturk Matbaacilik A.S. (Unternehmen der Ciner Group), legte die neue Tageszeitung Haberturk einen Start nach Maß hin. In vier neuen Druckereien in Turgay bei Istanbul, Ankara, Adana und Izmir liefen an diesem Tag fünf KBA Commander 4/1-Rotationen an, einige davon mit Trocknern für die Hybrid- und Semicommercial-Produktion. In kürzester Zeit hat sich Haberturk mit 80 vierfarbigen Broadsheet-Seiten wochentags (120 Seiten am Wochenende), einem plakativen Layout und herausragender Druckqualität in der Top-Liga der türkischen Tagespresse etabliert. Die Verantwortlichen haben zielstrebig ihre Vision eines attraktiven „Tages-Magazins“ umgesetzt. Auf Anregung von KBA sprach Karl Malik mit Chefredakteur Fatih Altayli, einem der geistigen Väter des Mammut-Projekts.

Karl Malik: Herr Altayli, mit der Anschaffung von fünf KBA Commander 4/1-Rotationen sowie vorbildlich strukturierter Ferag-Versandraumtechnik hat Ihre Mediengruppe sehr mutig investiert. Dies in einer Zeit, in der sich andere mit Investitionen eher zurückhalten. Welche Motive stecken dahinter?

Fatih Altayli: Wir haben inzwischen eine verkaufte Auflage von täglich mehr als 300.000 Exemplaren und erscheinen sieben Tage pro Woche. Da die meisten türkischen Zeitungen mit relativ alter Technik arbeiten, haben wir uns entschieden, Anlagen mit dem höchsten Technologiestandard zu kaufen. Auch wir wissen, dass viele Zeitungen Leser an das Internet verlieren. Folglich wollten wir ein neues und für den Leser und Anzeigenkunden besseres Zeitungsprodukt auf den Markt bringen. Die Tageszeitung gibt es seit über 300 Jahren. Sie wird heute vielleicht von jüngeren Menschen weniger gelesen, aber wenn diese älter werden, werden auch sie zur Zeitung greifen. Kein neues Medium kann die bestehenden Medien wirklich verdrängen. Schon gar nicht die gedruckte Tageszeitung. Mit Haberturk haben wir einen neuen Typ Tageszeitung in sehr hoher Qualität kreiert, der bei unseren Lesern sehr geschätzt wird. Wir konnten einen fulminanten Start hinlegen. Das Produkt ist nicht nur für die Türkei neu. Ich kenne nirgendwo in der Welt eine Zeitung in dieser Form.

Karl Malik: Herr Altayli, die Aktivitäten der Ciner Group reichen von der Rohstoffförderung über Energie, Handel, Industrie bis hin zu Tourismus und Hotellerie. Welche Rolle spielen die Medien und hier insbesondere Print in der Konzernstrategie?

Fatih Altayli: In der Türkei werden viele Tageszeitungen zur Meinungsbildung gegen die Regierung, gegen die Geschäftswelt oder gegen gewisse Gruppen der Bevölkerung missbraucht. Und dies wird von manchen Eigentümern türkischer Zeitungen so gewollt. Turgay Ciner, der Eigentümer von Haberturk, will dies nicht. Er ist ja schon lange im Zeitungsgeschäft tätig und will mit Haberturk eine völlig neue Zeitung herausgeben, die zwar offensiv berichtet, aber dem Leser nicht unbedingt die eigene Meinung aufdrängen will.

Karl Malik: Haberturk erscheint siebenmal wöchentlich. Wie viele Mitarbeiter brauchen Sie dafür?

Fatih Altayli: Wir produzieren an normalen Wochentagen 80 Seiten im Broadsheet-Format mit deutlich weniger Mitarbeitern als unsere Mitbewerber. Wir beschäftigen in unseren Redaktionen 275 Journalisten und in unserer IT-Abteilung insgesamt 55 Elektroniker. Hinzu kommen 225 Mitarbeiter in unseren vier Druckzentren in Istanbul, Ankara, Izmir und Adana.

Karl Malik: Einige der Commander 4/1-Rotationen sind mit Heatset-Trocknern für Semicommercial-Produkte und Hybrid-Zeitungen ausgestattet. Damit setzen Sie ganz gezielt auf einen neuen Trend in der Zeitungsgestaltung hin zum Tagesmagazin. Was versprechen Sie sich davon?

Fatih Altayli: Wir wollen uns mit diesem neuen Zeitungstyp klar abheben. Die Werbeindustrie benötigt neue Anzeigenformen. Einige Anzeigen wandern zu den Magazinen ab, aber der Marktanteil der Magazine ist in der Türkei nicht so hoch. Die Leser wollen hochwertige Zeitungsprodukte sehen und Werbung für Luxus-Markenartikel kann eben am besten auf gestrichenem Papier wie bei uns gedruckt werden. Wir leben mit den elektronischen Medien. Daher haben wir das Erscheinungsbild unserer Zeitung dem des Bildschirms angepasst. Die Nachrichten bereiten wir so auf, dass wir dem Interneterscheinungsbild sehr nahe kommen. Der Leser, der gewohnt ist, Nachrichten und Informationen aus dem Internet zu konsumieren, soll sich auch in der gedruckten Zeitung sofort zurechtfinden.

Karl Malik: Mit der KBA Commander-Klasse haben Sie sich für in der Türkei noch nicht so verbreitete Hochleistungsmaschinen entschieden – und dies gleich für vier Standorte. Sie verfügen nun über die schnellsten Zeitungsrotationen in Ihrem Land. Warum Hightech-Anlagen anstelle einfacherer, aber auch billigerer Technologie?

Fatih Altayli: Wenn Sie diese Investition ganzheitlich über den gesamten Lebenszyklus betrachten, ist sie eindeutig kostengünstiger. Die Ausstattung nach dem neuesten Stand der Technik im Druck und im Versandraum ist wesentlich wirtschaftlicher als personalintensive alte Anlagen, wie sie teilweise bei unseren Mitkonkurrenten betrieben werden.

Karl Malik: Sie haben die Bestellung und Inbetriebnahme der neuen Technik inklusive der dafür notwendigen Neubauten und dazugehörigen Infrastruktur an vier Standorten innerhalb eines guten Jahres realisiert. Das macht Ihnen so schnell keiner nach. Lief alles nach Plan?

Fatih Altayli: Ja, wir hatten einen sehr engen Zeitkorridor von insgesamt nur 13 Monaten ab Vertragsabschluss. Wir haben natürlich mit allen in Frage kommenden Herstellern entsprechende Gespräche geführt. Neben den hohen Leistungsanforderungen gaben das Realisierungskonzept und die damit verbundene Projektunterstützung den Ausschlag für Koenig & Bauer und Ferag. Damit haben wir uns bewusst für die Technologieführer in der internationalen Zeitungsindustrie entschieden. Bei einigen anderen Anbietern hieß die Antwort: „Das ist nicht möglich.“ Wir haben im September 2007 mit der Planung begonnen und schon im November 2008 mit der stufenweise Inbetriebnahme. Am 1. März 2009 sind wir dann mit der täglichen Zeitungsproduktion gestartet. Aber, ehrlich gesagt, es war eine große Herausforderung. In den Druckereien wurde noch gebaut, die Infrastruktur eingerichtet und gleichzeitig die Montage der Druckmaschinen und der Versandraumanlagen durchgeführt. Die Monteure von KBA und Ferag haben zum Teil Unglaubliches geleistet.

Karl Malik: Die Maschinen produzieren ja nun seit einigen Monaten. Gibt es schon erste Reaktionen von Lesern, Anzeigenkunden und Wettbewerbern?

Fatih Altayli: Wir haben sehr gute Reaktionen auf unseren neuen Tageszeitungstyp von unseren Anzeigenkunden und Lesern erhalten. Viele Leser wollen die bislang gewohnte Tageszeitung nicht mehr, die volle Vierfarbqualität und das hochwertige Papier kommen sehr gut an. Und wir haben nun gegenüber dem Mitbewerb einen großen zeitlichen Vorsprung, der uns hilft, neue Anzeigenkunden und Leser mittels besserer Produktqualität und Aktualität zu gewinnen.

Karl Malik: Inwieweit nutzen Sie schon die Heatset-Trockner für Semicommercials und veredelte Hybrid-Produkte?

Fatih Altayli: Wir können dank Heatset-Trocknung und besserer Papiere mit unserem neuen Produkt um 50 Prozent höhere Einzelverkaufspreise realisieren. Und auch beim Anzeigenverkauf können wir doppelt so hohe Preise im Markt durchsetzen. Der Ferag-Versandraum bietet uns zusätzliche Vermarktungschancen für Zeitungsbeilagen und Sonderwerbeformen. Die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen bei gleichzeitig höheren Erlösen verschafft uns rechenbare Vorteile. Der Mehraufwand beispielsweise durch Heatset-Trocknung wird durch höhere Einnahmen im Einzelverkauf, Anzeigenverkauf und durch Vertriebserlöse aus Beilagen mehr als kompensiert.

Karl Malik: Wie beeinflusst die Finanz- und Wirtschaftskrise die Medien- und Zeitungsbranche und Ihre eigenen Pläne nach den umfangreichen Neuinvestitionen?

Fatih Altayli: Die Auswirkungen sind natürlich zu spüren, hauptsächlich beim Rückgang des Anzeigenvolumens. Bei Haberturk haben wir jedoch durch die höheren Anzeigenerlöse aus dem Luxus-Segment und durch unseren technischen Vorsprung bessere Möglichkeiten, der Entwicklung zu begegnen.

Karl Malik: Welche Rolle wird Print aus Ihrer Sicht künftig neben Online und TV in der Türkei und in der Strategie der Ciner Group spielen?

Fatih Altayli: Wir hatten in der Türkei vor der Wirtschaftskrise steigende Auflagenzahlen. Die Seriosität und Glaubwürdigkeit der Inhalte von Print ist der entscheidende Faktor. Dem Internet kann man in dieser Beziehung nicht vertrauen. Und die Websites der Zeitungen haben die höchste Besucherfrequenz, weil dort das Informationsangebot und die Qualität der Inhalte stimmen. Die Zeitung muss sich den neuen Medienkonsumgewohnheiten anpassen.

Karl Malik: Herr Altayli, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch.

www.kba.com
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