Anzeigen:
Die Branche am Montag!

Offsetdruck

Wie sinnvoll sind die großen Bahnbreiten im Rollenoffset?

Immer breiter und schneller werden die Akzidenz-Rotationen (hier eine KBA Compacta 818 für die französische SEGO-Gruppe). High Volume-Anlagen machen aber nur dort Sinn, wo Auflagenhöhen und Seitenumfänge nach entsprechenden Kapazitäten verlangen.

Donnerstag 09. August 2007 - Analog der Breitenentwicklung im Illustrationstiefdruck hält auch im Akzidenz-Rollenoffset der Trend zu immer breiteren und schnelleren Rotationen an. Geschwindigkeitssteigerungen sind dabei jedoch nur sehr moderat möglich. Der Weg in die Breite ist daher der deutlich leichtere, möchte man einen Kapazitätssprung wagen.

Anzeige:

Um Bahnbreiten von über zwei Metern bei hoher Geschwindigkeit sowie akzeptabler Druckqualität und Makulatur zu beherrschen, sind entsprechende technische Lösungen unverzichtbar: Reduzierung des Zylinderkanals, Einzelantriebstechnik, neue Lagertechniken, Einsatz neuer Werkstoffe (CFK-Material), spezielle Gummitücher, exakte Temperierung im Bereich der Druckwerke oder der Einsatz von Farbrakelsystemen.

Der Trend zu immer größeren Bahnbreiten ist nicht zuletzt ein Resultat des harten Verdrängungswettbewerbes am Markt. Die Druckereien sehen sich gezwungen, Kosten zu reduzieren und die Produktion effektiver zu gestalten. Dies geht über die Steigerung des Outputs an Printprodukten verbunden mit der Reduzierung der dafür anfallenden Investitions- und Personalkosten.

Positive Aspekte …
Die Vorteile breiter Akzidenz-Rollen liegen auf der Hand. Sie produzieren bei voller Auslastung (auch bzgl. der möglichen Bahnbreite) bezogen auf die einzelne A4-Seite prinzipiell kostengünstiger als 16- oder 32-Seiten-Maschinen (niedrigere Kosten pro 1000 Exemplare). Voraussetzung für eine entsprechende Auslastung ist natürlich, dass genügend geeignete Aufträge vorliegen. Der Investitions- bzw. Finanzierungsbedarf steigt nicht linear mit der Kapazität der Rotation und ist im Hinblick auf die Seitenzahl günstiger als bei schmäleren Maschinen. Ebenso wird der Personalbedarf in der Regel nicht parallel zur Maschinenbreite steigen – die Personalkosten werden also deutlich positiv beeinflusst.

Größere Seitenumfänge der einzelnen Teilsektionen bedeuten außerdem weniger Stationen und entsprechend weniger Personal in der Weiterverarbeitung. Betrachtet man die Gesamtproduktion kommt man insbesondere bei höheren Auflagen mit etwas weniger Makulatur aus. Hinzu kommen Einsparungen bei Verbrauchsmaterialien und Energie. Darüber hinaus ermöglichen neue Rollenwechsler für Papierrollendurchmesser bis 1.500 mm durch weniger Rollenwechsel zusätzliche Papiereinsparungen. Mit Sektionen bis zu 96 Seiten sind High Volume-Rollenoffsetrotationen bei hohen Auflagen oder Seitenzahlen und kurzen Lieferzeiten eine ernsthafte Konkurrenz für den Illustrationstiefdruck.

… aber auch Schattenseiten
Das für den wirtschaftlichen Betrieb der großen Akzidenzrollen benötigte hohe Druckvolumen muss allerdings erst einmal akquiriert werden. Und da in den letzten Jahren viele Akzidenzdrucker den Weg in die Breite gegangen sind, herrscht bei geeigneten Massenauflagen ein harter Preiskampf und Verdrängungswettbewerb. Auch der generelle Trend zu kleineren Auflagen kommt den High Volume-Maschinen nicht unbedingt entgegen. Zwar steigt das jährliche Druckvolumen immer noch an, doch immer mehr neue Special Interest Titel oder Regionalausgaben für immer kleinere Zielgruppen reduzieren die Auflagenhöhen. Geringe Seitenzahlen wie 8- und 12-Seiter sind auf 64-, 80- oder gar 96-Seiten-Anlagen oft nicht wirtschaftlich zu produzieren und die Flexibilität dieser Akzidenz-Jumbos ist ebenfalls eingeschränkt.

Komplexität steigt mit der Breite
Mit steigender Breite steigen die Komplexität des Produktionsprozesses und die Anforderungen an das Know-how des Bedienungspersonals. So erhöht sich beispielsweise die Wahrscheinlichkeit eines Papierbahnrisses, die Farb-Wasser-Balance erfordert mehr Feingefühl, Farbnebeln bei hohen Geschwindigkeiten oder seitlicher Farbaufbau auf den Gummitüchern beim Verdrucken teilbreiter Bahnen gehören verstärkt zu den bei Rollenoffset-Praktikern bekannten Begleiterscheinungen. Auch die Auswahl der zum Einsatz kommenden Farben und die Klimatisierung benötigen mehr Aufmerksamkeit. Um alle ablaufenden Prozesse kontrollieren und sicher beherrschen zu können, ist eine hohe Automatisierung der Anlage unerlässlich, was die Zahl potenzieller Störquellen und die Notwendigkeit geeigneter Backup-Lösungen erhöht. Sonst kann es unter Termindruck problematisch werden.

Je höher die Seitenzahl des Produktes im Falzapparat, desto größer auch die physikalische Verdrängung der einzelnen Seiten. Darunter leidet die Falzgenauigkeit. Ein runder Falzrücken und Quetschfalten können die Folge sein. Doppelparallel- oder Deltafalz sind ab einer bestimmten Produktstärke kritisch.

Durch die hohe Seitenzahl der Sektionen sind weniger Features in der Weiterverarbeitung realisierbar, wie z.B. Aufkleber oder Einstecker (CDs o.ä.). Zudem verlangt die enorme Produktivität der Rotationen Hochleistungsaggregate in der Produktentsorgung, die weitestgehend automatisiert sein müssen. Und letztlich sind bei großen Breiten auch entsprechende Investitionen in die Infrastruktur (Papierlager, Stapler, Flurförderer, Plattenstraße o.ä.) einzukalkulieren.



Kein Einheitsrezept für alle
High Volume-Rotationen sind nicht in jedem Fall der Weisheit letzter Schluss, auch nicht der Königsweg aus einer evtl. bereits erkennbaren Krise der jeweiligen Druckerei. Sie machen dort Sinn, wo Auflagenhöhen und entsprechende Seitenumfänge nach immensen Kapazitäten verlangen. Kleinere Maschinen, insbesondere die flexiblen 16-Seiten-Rotationen, haben nach wie vor ihre Berechtigung. Besonders dann, wenn neben 16-seitigen auch häufig 8- und 12-seitige Produktionen anfallen oder die Druckerei sich durch eine zusätzliche Produktveredelung differenzieren will. Niedrige Seitenzahlen, weit überdurchschnittliche Druckqualität, hohe Grammaturen, Querschneider-Produktionen, spezielle Falzvarianten oder Inline-Veredelung sind das Terrain auf dem schmale Maschinen zuhause sind – die großen Jumbos tun sich damit schwer. Eine intensive Analyse der Auftragsstruktur ist somit unabdingbar, bevor man sich für eine Maschine entscheidet. Das gleiche Rezept für alle war schon immer wenig heilsam. Die für die jeweilige Auftragsstruktur bzw. den vorhandenen Kundenstamm wirtschaftlichste Maschine – ob nun groß oder klein – ist auch heute noch die beste Wahl.


www.kba.com
Zurück zur Übersicht
Die aktuelle Ausgabe!
Die Branche am Montag!