Aus den Unternehmen

Umbruch in der Buchdruckbranche – ein genauer Blick auf neue Geschäftsmodelle

Francesco Crotti - Unternehmensberater im Bereich Digital-, Verpackungs- und Textildruck

Montag 15. April 2024 - Am Beispiel des Buchdrucks lässt sich in idealer Weise deutlich machen, wie industrielle Transformationsprozesse vonstatten gehen. Nach wie vor gibt es gedruckte Bücher. Aber ihr Produktionsprozess hat sich vollständig verändert. Und er wird es noch weiter tun. Seine vollständige Digitalisierung wird dabei vorrangig die treibende Kraft sein. Schon bald wird auf der drupa auch die Buchdruckbranche - als ein wichtiges Segment der Druckindustrie -ihre Ideen austauschen und eine Vision entwickeln, wie sie aus dem Druck das Beste herausholen kann.

Die drupa 2024 steht vor der Tür. Viele Menschen fragen sich, warum sie diese Messe nach acht Jahren wieder besuchen sollen. Schließlich haben wir doch auch ohne die drupa 2020 überlebt. In der COVID-Zeit stellte die Lieferindustrie ihre Technologien per Web-Präsentationen vor. Und nach mehreren Open Houses investierten Druckdienstleister weiterhin in ihre Lösungen – ungeachtet der Marktherausforderungen wie unter anderem der Knappheit beim Papier und der Energiekrise. Andererseits haben die Entwicklung neuer Ideen und Visionen, der Austausch beruflicher Erfahrungen und das Knüpfen von Kontakten heute einen höheren Stellenwert denn je. Der Druckmarkt bleibt in Bewegung, und die strukturellen Veränderungen sind tiefgreifend. Kurz: Der drupa-Besuch ist ein Muss.
Eine der wichtigsten Veränderungen in den vergangenen Jahren betrifft die Nachfrage nach Büchern. Verschiedenen Statistiken zufolge steigen sowohl in Europa als auch in den USA die Verkaufszahlen. Allerdings verlieren die herkömmlichen Buchhandlungen und Supermärkte Marktanteile, weil Kundinnen und Kunden zunehmend online einkaufen und Direktvertriebskanäle bevorzugen. Die Verlage erwirtschaften hier inzwischen mehr als 45 % der gesamten Umsätze. Der Einfluss von „BookTok“ (ein Bereich der TikTok-Community, der sich auf Bücher und Literatur fokussiert) hat einzelne Titel aus der relativen Bedeutungslosigkeit auf die Bestsellerlisten befördert. Verlagshäuser kommen nicht umhin, ihre Marketing-Strategien neu zu denken – was insbesondere für Nischenliteratur gilt. Um hier die Nachfrage effektiv steuern zu können, werden möglichst genaue Prognosen benötigt. Verlagshäuser müssen den Markt pünktlich bedienen, gleichzeitig aber vermeiden, dass sie zu große, die Nachfrage deutlich übersteigende Auflagen drucken.

Inzwischen zählt Nachhaltigkeit zu den obersten Prioritäten der Verlagsbranche. Technologische Innovationen und die Zusammenarbeit mit örtlich angesiedelten Druckereien können das Risiko mindern, dass zu große Auflagen gedruckt werden und der Handel zu viele Remittenden zurückschickt. Gleiches gilt, wenn geplante Druckauflagen mit der Zahl der Vorbestellungen abgeglichen werden. Kleinere Verlage verfügen jedoch häufig nicht über entsprechende Technologien. Das kann bei ihnen zu Lieferengpässen führen. Darüber hinaus versuchen Verlagshäuser, ihren Papierverbrauch zu verringern. Beispielsweise indem sie Buchbesprechungen und Bibliografien online stellen (zugänglich über QR-Codes). Oder sie optimieren Übersetzungen, um die Zeichenzahl und damit den Seitenumfang von Büchern zu verringern. Eine weitere Option sind angepasste Formate. Hier können schon kleine Veränderungen, wie zum Beispiel geringfügig kleinere Seiten, den Papierverbrauch erheblich reduzieren. Schließlich kommen auch effizientere Vertriebsprozesse und optimierte Transporte der Nachhaltigkeit zugute. Das alles setzt eine effektive Integration der Systeme des Handels, der Verleger, der Distributoren und der Druckereien voraus.
Mittlerweile hat sich der Digitaldruck in der Buchproduktion endgültig durchgesetzt. Die Inkjet-Technologie ist hochgradig produktiv und zuverlässig – bei im Normalfall 90%iger Verfügbarkeit. Die Schwelle, ab wann der analoge Druck günstiger als der Digitaldruck ist, liegt bei Schwarz-Weiß-Büchern bei etwa 6.000 Exemplaren und bei farbig gedruckten Büchern bei etwa 3.000 Exemplaren. Was die Qualität anbelangt, können viele Inkjet-Lösungen sowohl gestrichene als auch ungestrichene Papiere bedrucken. Dabei liefern sie dem Offsetdruck vergleichbare Ergebnisse. Allerdings haben sich einige Anbieter analoger Druckverfahren wie Timpson aus dem Markt zurückgezogen – die letzten Timpson-Druckmaschinen wurden 2006 gebaut. Kurz: Im Buchdruck wird die digitale Produktion in naher Zukunft die bessere Wahl sein.
Im Ergebnis bemühen sich einige Buchdruckereien um neue Angebote und Services, die Mehrwert bieten. Im Mittelpunkt stehen dabei die On-Demand-Produktion (bedarfsgerechte Auflagen) individueller Bücher, kleinere Rahmenverträge von der Bestellung bis zum Versand und die digitale Integration mit Verlagshäusern und dem Handel. Diese Unternehmen investieren sowohl in digitale Technik als auch in Software-basierte Plattformen. Sie sind überzeugt, dass eine umfassende Automatisierung der Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität ist.
Doch wie sollen Druckereien ihre Digitalisierung auf die Schiene setzen? Auf dem Markt sind etliche Lösungen in allen Preisklassen verfügbar – von günstigen bis hin zu teuren Lösungen. Viele von ihnen sind zwar hervorragend für die Abwicklung bestimmter Prozesse (zum Beispiel Ausschießen, Auftragsverwaltung, Archivierung oder Auftragsverfolgung) geeignet. Doch sie erfordern häufig hohe Investitionen in die Integration und in kundenspezifische Anpassungen. Hersteller von Digitaldrucksystemen bieten einige Lösungen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit ihrer Maschinen an. Dennoch bleibt die Suche nach zuverlässigen Workflows für eine durchgehende Automatisierung des gesamten Buchdruckprozesses eine Herausforderung.

In der Praxis muss die Automatisierung eine umfassende Funktionalität abdecken – vom Vertrieb bis zur Administration, von der Produktion bis zur Logistik, von der Datensicherheit bis zum Qualitäts-Management. Deshalb sollte eine All-in-One-Software für die Steuerung des Buchdrucks mit folgenden Funktionen aufwarten:
• Automatisierte Konten- und Auftragsverwaltung: Vertriebsteams sollten sich nicht mehr auf E-Mails und Anrufe verlassen müssen. Kommen die Aufträge über Web-Portale herein und werden über diese auch die Angebote erstellt, spart der Vertrieb Zeit und kann seine Kundenservices schneller erbringen.
• Automatisierte Übernahme der Auftragsdaten, fertig vorbereitet für die Archivierung und den Druck.
• Automatisierte Druckdaten-Prüfung in der Druckvorstufe: Werden fehlerhafte Dateien hochgeladen, sollte das System automatisch warnen, damit Kundinnen und Kunden entsprechende Fehler selbst beheben können.
• Automatisierte Auftragsverwaltung und -überwachung, von der Produktion einzelner Bücher bis hin zu Großauflagen: Die Software sollte die Aufträge sammeln und sie je nach Papiersorten, Druckqualität und Anforderungen an die Veredelung stapelweise verarbeiten. Gleichzeitig sollten Arbeitslisten die bedruckten Rollen nahtlos durch den Produktionsprozess begleiten. Das stellt neben Flexibilität eine vollständige Kontrolle über die Produktion sicher – von einzelnen Büchern bis hin zu größeren Auflagen.
• Automatisierte Überwachung der Aufträge und der Lieferungen: Nach der Produktion sollten Aufträge leicht verfolgbar sein, damit Buchdruckereien den Versand organisieren und Verlagshäuser alle Vorgänge überwachen können.
Zudem müssen leistungsfähige Software-Lösungen mit verschiedenen Druckmaschinen und Weiterverarbeitungssystemen kompatibel sein, dabei aber von ihnen unabhängig bleiben.
Investitionen in digitale Technologien erfordern jedoch umfassende IT-Kenntnisse und den Aufbau einer leistungsfähigen unternehmenseigenen IT-Abteilung. Nur wenige Druckdienstleister verfügen über solche Möglichkeiten. Typischerweise haben sich diese Unternehmen aus dem Transaktionsdruckgeschäft heraus entwickelt. Doch trotz sinkender Umsätze tun sie sich häufig schwer, über ihre gewohnten Grenzen hinaus zu agieren. Zudem sind viele Buchdruckereien auf den Digitaldruck umgestiegen. Das allerdings im Rahmen einer eingeschränkten Ausrichtung: Sie fokussieren sich vollständig auf das Senken ihrer Kosten – statt ihren Kunden Mehrwert zu bieten. Und sie ersetzen mit digitaler Technik in erster Linie analoge Drucktechnik.
Andere Druckdienstleister wiederum sind initiativ und innovationsfreudig. Unternehmen wie Rotomail in Italien haben es verstanden, früher als ihre Wettbewerber anwendungsorientierte Lösungen im Markt zu etablieren. Im Grunde nutzen sie bereits vorhandene Ideen und setzen diese mit eigenentwickelten Lösungen in die Realität um. Ein Beispiel ist Bronte. Unternehmen wie diese generieren ein freundschaftliches, aufgeschlossenes und neugierig machendes Umfeld. Sie sind sich bewusst, dass echte Innovation Menschen innerhalb und außerhalb von Unternehmen einbindet. Sie sehen in Partnerschaften echte Chancen.
Alle Besucherinnen und Besucher der drupa 2024 werden mit einer eigenen Agenda zur Messe kommen. Doch für Buchdruckereien wird dem Aufbau von Beziehungen und Partnerschaften strategische Bedeutung zukommen. Der Digitalisierungsprozess wird weiterhin Fahrt aufnehmen, wobei Automatisierungsschritte eine bedeutende Rolle spielen werden. Das gilt insbesondere für Software-Lösungen, die Systeme verschiedener Anbieter integrieren und steuern.

Francesco Crotti – Unternehmensberater im Bereich Digital-, Verpackungs- und Textildruck

www.drupa.de
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