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Inkjet, der große Hoffnungsträger!

Ralf Schlözer, Technologie-Analyst in der Druckindustrie

Freitag 15. März 2024 - Unser Leben verändert sich - und mit ihm die Druckerzeugnisse, die wir kaufen bzw. bestellen und produzieren. Der Inkjet-Druck ist nicht nur hinsichtlich der Vielfalt seiner Anwendungsmöglichkeiten einzigartig. Vielmehr gilt das auch für die Bandbreite des Drucksystemangebots. Es reicht von preiswerten Einstiegslösungen bis hin zu High-End-Produktionslinien für "Lights Out Manufacturing"-Prozesse, also vollständig automatisierte Produktionsprozesse in dunklen Fabriken, in denen keine manuellen Bedienereingriffe erforderlich sind. Die Breite dieses Angebots kann das Risiko verringern, das der Einstieg in neue Druckanwendungen mit sich bringt. Zudem erlaubt es der Druckbranche, neue Möglichkeiten auszuloten.

Inzwischen leben mehr als acht Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Wir können rund um den Globus reisen und Daten sowie Informationen austauschen. Unsere Gewohnheiten und unsere Kommunikation haben sich verändert. So ist es nicht überraschend, dass sich auch die Welt des Drucks verändert. Während einige traditionelle Drucktechniken langsam aussterben, bleiben andere bemerkenswert stabil. Gleichzeitig eröffnen sich dem Druck neue Einsatzbereiche.

Druckdienstleister reagieren auf diesen Wandel und erweitern ihre Angebote um zusätzliche Druckanwendungen. Zugleich suchen Markenartikelhersteller nach neuen Möglichkeiten für die Vermarktung ihrer Produkte, Verlagshäuser für die Verbreitung ihrer Informationen und Privatpersonen für die Verschönerung ihres Lebens. Die Nachfrage wird von allen Kundengruppen generiert, insbesondere was kleine Auflagen und kurze Durchlaufzeiten anbelangt. Die Präsenz im Internet macht es heutzutage leicht, neue Produkte zu präsentieren und zu bewerben, wobei Empfehlungsalgorithmen – in Zukunft wird es KI sein – auf das Upselling oder auf die Präsentation zusätzlicher Produkte abzielen.

Dennoch bleibt eine Herausforderung: Die Druckerzeugnisse für die neuen Anwendungen müssen zunächst produziert werden. Hier ist manchmal eine Partnerschaft mit anderen Druckdienstleistern die beste Option. In anderen Fällen ist es sinnvoller, die Kapazitäten und mehr der wertschöpfenden Produktionsprozesse im eigenen Haus zu halten – und damit schnell sowie flexibel reagieren zu können. Insbesondere Maschinen, mit denen sich viele verschiedene Anwendungen abdecken lassen oder die niedrigere Investitionssummen erfordern, können helfen, neue Chancen beim Schopf zu ergreifen.

Als Analyst von Druckverfahren erstaunen mich nach wie vor die vielen Möglichkeiten, die der Inkjet-Druck bietet. Er hat zur Demokratisierung des Druckmaschinenmarktes beigetragen. Denn den Herstellern dieser Maschinen steht ein breites Angebot an Inkjet-Druckköpfen, Tinten, Trocknungssystemen sowie Lösungen für die Zuführung und den Transport der Bedruckstoffe vieler unterschiedlicher Anbieter zur Verfügung. Aus diesem Angebot können sie ihre Systemkomponenten nach Bedarf auswählen und kombinieren. In der Branche sind mehr als 20 Hersteller von Inkjet-Köpfen und eine noch viel größere Zahl von Tintenherstellern aktiv. Viele Unternehmen bieten Lösungen für die Zuführung und den Transport der Bedruckstoffe an. Und es ist sogar möglich, alte Druck- oder Weiterverarbeitungsmaschinen zu modernisieren. Darüber hinaus bietet der Inkjet-Druck entscheidende technologische Vorteile: Er ist ein echter kontaktloser Prozess und kann – zumindest theoretisch – eine Vielzahl von Materialien und Formaten bedrucken.

Entsprechend unterschiedlich sind die Lösungen, die für die verschiedenen Marktsegmente angeboten werden. Der Etikettendruck hat in den vergangenen Jahren eine geradezu boomartige Entwicklung hingelegt. Aktuell werden auf dem Markt mehr als 40 Modelle von Inkjet-Etikettendruckmaschinen angeboten. Auch der Druck auf Wellpappen hat an Zugkraft gewonnen – mit einem Angebot von derzeit etwa einem Dutzend Single-Pass-Druckmaschinen. Bei Lösungen für den Druck von Faltschachteln und flexiblen Verpackungen schreitet die Entwicklung dagegen langsamer voran. Aber auch für diese Marktsegmente sind seit kurzem mehrere Inkjet-Druckmaschinenmodelle erhältlich. Oder sie stehen kurz vor der Markteinführung. Wachstum verzeichnet auch der Druck auf Metall – auf Getränkedosen und auf Blech. In allen Segmenten erreichen vollwertige Inkjet-Produktionsdrucksysteme allmählich die Produktivität konventioneller Druckmaschinen, wenn auch zu Preisen, die mit den Preisen von High-End-Druckmaschinen vergleichbar sind.

Auf der anderen Seite gibt es preisgünstigere Alternativen, die den Druck auf Etiketten, Dosen oder Beutel bereits ab niedrigen fünfstelligen Investitionssummen ermöglichen. Großformat-Drucksysteme mit Scanning-Köpfen können bei flachen Verpackungsmaterialien eine kosteneffiziente Alternative sein. Auch sie sind bereits ab ähnlich niedrigen Investitionen verfügbar. Allerdings warten sie mit niedriger Produktivität auf, und häufig gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Materialien und der Qualität. Dennoch empfiehlt es sich zu prüfen, welche Möglichkeiten man sich mit ihnen im Markt eventuell erschließen kann. Eine Alternative hierzu können Inkjet-Druckmaschinen sein, die zusätzliche Anwendungen abdecken. Beispiele sind die B2-Inkjet-Druckmaschinen von Fujifilm, Konica Minolta oder Komori und die B1-Druckmaschinen von Landa. Diese Lösungen bedrucken eine breite Palette unterschiedlicher Materialien und Grammaturen. Kundinnen und Kunden dieser Unternehmen setzen sie in einer Vielzahl von Anwendungen ein.

Mitunter zeigt sich die Stärke des Inkjet-Drucks in der Weiterverarbeitung nach dem Verpackungs- oder Akzidenzdruck. Zum Beispiel lassen sich einzigartige Effekte wie erhabene, haptische Strukturen realisieren, indem klare Inkjet-Tinten aufgetragen werden. Duplo, MGI, Scodix und Steinemann bieten Lösungen für die Veredelung von Druckbogen an. Koenig & Bauer Kammann hat dieses Verfahren für den Druck von Strukturen auf kugelförmige Behältnisse erweitert.

Neben dem Akzidenz- und dem Verpackungsdruck gibt es viele weitere Märkte, in denen gedruckt wird. Viele von ihnen sind unter dem Radar der kommerziellen Druckindustrie geblieben. So wird der Inkjet-Druck zum Beispiel im Dekordruck auf Fußböden, Paneelen, Keramik, Glas und vielen andere Oberflächen eingesetzt. Es gibt sogar Tapetenmanufakturen, die Tapetenrollen mit kundenspezifischen Designs bedrucken. Während der Pandemie erlebte die Wohnungsdekoration einen Boom, und dank der neuen technischen Möglichkeiten lassen sich mehr und mehr Oberflächen mit Dekors bedrucken. Im Druck auf Textilien und Bekleidung verzeichnet die Inkjet-Technik ebenfalls einen rasanten Aufschwung. Angefangen bei Soft Signage (textile Werbetechnik) über Textilien für den Innenbereich bis hin zu Stoffen für Modeartikel oder das Bedrucken ganzer Kleidungsstücke – hier gibt es zahllose Möglichkeiten und für alle Anwendungsbereiche Lösungen. In diesem Marktsegment erlauben ebenfalls günstige Einstiegsmodelle den risikoarmen Einstieg in den Druck auf kleinere Stückzahlen, während High-End-Produktionslinien die Anforderungen einer Produktion im industriellen Stil abdecken.

Nicht alle Bedruckstoffe sind flach. Aber es gibt auch Inkjet-Lösungen für den Druck auf dreidimensionale Objekte. Roland DG und Mutoh haben kürzlich neue Drucker für das Bedrucken kleinerer Objekte und Handelswaren vorgestellt. Der Monster Jet von Azonprinter kann sogar Objekte mit Höhen bis zu einem Meter bedrucken. Für noch größere Objekte wurden bereits Möglichkeiten für den Direktdruck mit Roboterarmen vorgestellt. Hier gibt es mehrere Projekte. Allerdings befinden sie sich noch in einer frühen Entwicklungsphase.

Zudem sind die Möglichkeiten des Inkjet-Drucks nicht auf Oberflächen limitiert. Vielmehr öffnet der 3D-Druck die Tür zur additiven Fertigung. Im 3D-Druck kann die Inkjet-Technik die Innovationen nutzen, die für andere Märkte entwickelt wurden. Dabei profitiert sie von der großen Verbreitung der Druckköpfe, Tinten und Steuerungselektronik. Zwar unterscheiden sich im 3D-Druck hergestellte Produkte deutlich von bedrucktem Papier. Doch ihr Know-how in den Bereichen Datenverarbeitung, Farb-Management, Kundenkontakte und Logistik kann hier für Druckereien einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Finden Druckdienstleister auf dem Markt nicht die richtige Lösung für bestimmte Druckanforderungen, können ihnen sogenannte Inkjet-Integratoren helfen, maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Unternehmen wie Bergstein, Cadis und Colordyne oder Neos bieten die Beratungs- und Ingenieur-Services an, die Kunden für das Zusammenstellen individueller Drucklösungen benötigen. Alternativ können Kundinnen und Kunden eigene Lösungen „bauen“, indem sie in Drucklösungen und Ansteuerungselektronik von Anbietern wie unter anderem Domino, Fujifilm, HP oder Kodak investieren. Memjet hat unlängst seine Durabolt-Drucklösung vorgestellt, die das Unternehmen als „Druckwerk in einer Box“ (Print Engine in a Box) bezeichnet. Der Bau eigener integrierter Drucksysteme erfordert natürlich mehr als nur den Kauf solcher Drucklösungen. Aber tatsächlich werden heute bereits Tausende solcher Systeme in der Praxis eingesetzt.

Das Reizvolle am Inkjet-Druck ist seine Einfachheit. In vielen Fällen kommt er mit Komponenten mit wenigen beweglichen Teilen aus. In einigen Fällen genügt für das Einrichten und den Betrieb der Maschinen ein Tastendruck. Das erleichtert das Arbeiten mit ihnen, und das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels wiederum ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Hochleistungsdruckmaschinen können komplex und anspruchsvoll zu bedienen sein. Doch im Inkjet-Druck gibt es stets die Möglichkeit, klein anzufangen und bei überschaubarem Risiko sowie geringen Investitionen verschiedene Märkte zu testen – und zu expandieren, wenn die Nachfrage wächst.

Technik ist kein Selbstzweck. Vor jeder Investition müssen ein Geschäftsplan oder zumindest eine Geschäftsidee stehen. Doch es ist unbedingt ratsam, sich auf den Weg zu machen und zu eruieren, wo der Markt Zukunftschancen bietet. Gedruckt wird auf weit mehr Materialien als nur auf Papier. Kreativität ist seit je her die Triebfeder der Druckindustrie – also sollte man sich von den Druckanwendungen inspirieren lassen, die auf Messen, Open Houses, Seminaren oder Anwendertreffen vorgestellt werden.

Zugegeben: Bei der Fülle an Optionen ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Die drupa 2024 bietet eine großartige Gelegenheit, eine Vielzahl von Anwendungen an einem Ort zu entdecken und aus erster Hand die Informationen von bekannten und unbekannten Herstellern zu bekommen. Es ist an der Zeit, die Komfortzone zu verlassen und auch die Hallen zu erkunden, die man noch nicht kennt. Gleiches gilt für die Sonderforen touchpoint und drupa next age, die parallel zur Messe stattfinden.

Ralf Schlözer, Technologie-Analyst in der Druckindustrie

www.drupa.de
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